Die Ursachen der Magersucht

07.07.2013 09:29

Es gibt nicht "die eine" Ursache für Magersucht. Es müssen schon verschiedene Faktoren zusammenkommen, die erst in ihrer Kombination entscheiden, ob ein Mensch eine Essstörung entwickelt oder nicht. Für die Entstehung der Magersucht lassen sich einige typische Risikofaktoren identifizieren.

Ein ausgeprägtes Schlankheitsideal:
Das Bedürfnis, es schlanken und mageren Vorbildern aus Mode, Film und anderen Medien gleichzutun. Schlankheit wird gerade in unserer Gesellschaft, und besonders für junge Frauen und Mädchen (zunehmend aber auch für junge Männer), gleichgesetzt mit Schönheit, Attraktivität, Kompetenz, Anerkennung. Das Bedürfnis, möglichst dünn zu sein, kann auch aus dem Vergleich mit Gleichaltrigen ("wer ist erfolgreicher?", "wer hält die Diät länger durch?") entstehen.
Manchmal sind es auch Hänseleien über Figur und Körpergewicht, die erst dieses Bedürfnis wecken. Wie auch immer – wenn dieses Ideal, möglichst schlank und dünn zu sein, sehr wichtig wird, besteht ein hohes Risiko, das eigene Essverhalten so sehr zu ändern, dass es unausweichlich zu Mangelerscheinungen und damit zu ernsthaften Essstörungen kommt.

Restriktives Essen:
Auch ohne ausgeprägtes Schlankheitsideal gehören Diäten und kontrolliertes Essen fast schon zum Alltag in unserer modernen Gesellschaft. Kaum eine Frauen- (und seit einiger Zeit auch Männer-) Zeitschrift verzichtet auf regelmäßige Tipps zur "schlanken" Ernährung. Diäten jedoch sind immer restriktives Essen.
Schon nach wenigen Wochen, kommt es zu erheblichen Veränderungen des Stoffwechsels und anderer körperlicher Funktionen. Das Risiko für die Entwicklung von Mangelerscheinungen und dauerhaften Essstörungen steigt schon nach kurzer Zeit rapide an.

Angst vor dem Dicksein:
Sicher einer der mächtigsten Risikofaktoren. Die Angst vor dem Dicksein ist eine Art aus dem Ruder gelaufenes Schlankheitsideal. Jetzt geht es nicht mehr um ein Ideal, das angestrebt wird, sondern um Panik vor dem Dickwerden. Alles, was dick machen könnte, wird vermieden. Viele Lebensmittel werden zu "verbotenen" Lebensmitteln.

Schon der Gedanke an bestimmte Speisen kann diese Angst auslösen. Kalorien werden zu wichtigen Zahlen, um die Angst vor dem Dicksein zu beherrschen. Und damit die Angst gar nicht erst auftritt, wird immer weniger gegessen. Auch die eigene Figur, bestimmte "kritische" Stellen am Körper, lösen diese Angst aus. Die Folge: Weiter restriktiv essen, weiter fasten, oder auch Erbrechen, Sport, Abführmittel.

Familiäre Faktoren:
Sicher gibt es nicht die typische "anorektische" Familie. Kinder aus behüteten Familien könnten genauso an Magersucht erkranken wie Kinder aus Familien mit vielen Konflikten. Es fällt jedoch auf, dass viele Essgestörte aus Familien der Mittel- und Oberschicht kommen, in denen Leistung und Disziplin wie auch ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl sehr wichtig sind.
Abschottung nach außen und gleichzeitig unbeschränkte Offenheit innerhalb der Familie kann ein Risikofaktor sein, wenn das Kind wenig Möglichkeiten hat, sich als autonom zu erleben, keine Geheimnisse haben darf, sich nicht abgrenzen kann. Dann kann es dazu kommen, dass das Essverhalten für die Betroffene die einzige Gelegenheit bietet, Selbstkontrolle, Kompetenz und Autonomie zu erleben.

Belastungen:
Recht häufig entsteht eine Magersucht im Zusammenhang mit größeren Veränderungen des vertrauten Umfelds. Das kann ein Umzug in eine ganz neue Umgebung oder ein Schulwechsel sein. Typische Risikofaktoren sind auch größere Veränderungen wie ein längerer Auslandsaufenthalt oder der Studienbeginn. Auch die Scheidung der Eltern, oder der Verlust von vertrauten Personen (Tod von Freunden, Auszug von Geschwistern) können Anlass sein, die so entstehenden psychischen Belastungen durch Kontrolle des Essverhaltens wieder in den Griff zu bekommen.
Manchmal reicht allein die Ankündigung von Veränderungen, z.B. zunehmende Konflikte der Eltern mit Androhung von Trennung, um Änderungen des Essverhaltens auszulösen.
Nicht selten kann dann die Magersucht eines Kindes letztlich die Familie noch zusammenhalten, weil durch die Essproblematik die anderen Konflikte in den Hintergrund treten. Auch die Veränderungen, die durch die Pubertät entstehen, können manchmal Belastungen sein, auf die junge Mädchen mit restriktivem Essen reagieren.

Anlagefaktoren:
Manche Menschen sind aufgrund ihrer Anlage eher dafür empfänglich, eine Essstörung zu entwickeln. Diese "Verletzlichkeit" kann körperlich begründet sein, aber auch in einer psychische Ursachen ihre Wurzeln haben. Diese Menschen nehmen z.B. unter Stress besonders leicht oder schnell ab, oder reagieren auf Belastungen automatisch mit Appetitlosigkeit.

Der Teufelskreis der Magersucht:

Die Zusammenhänge, die zur Anorexie führen, sind also zunächst recht vielfältig, münden aber schließlich alle in einen gemeinsamen Prozess, der sich nicht einfach umkehren lässt. Wie in einem Teufelskreis sorgen jetzt die körperlichen und psychischen Veränderungen dafür, dass die Angst vor dem Dicksein immer größer und deshalb das Essen immer weiter eingeschränkt wird.

Durch das restriktive Essen entstehen körperliche Mangelerscheinungen, die die Körperwahrnehmung und das Hunger-Sattheits-Gefühl beeinträchtigen. Die Wahrnehmungsstörungen führen dazu, sich auch dann zu dick zu fühlen, wenn das Gewicht immer geringer wird. Die Folge: Das Essen wird weiter eingeschränkt. Das verminderte Hunger-Sattheits-Gefühl erhöht die Angst, die Kontrolle über das Essen zu verlieren. Bei einigen Essgestörten kommt es durch das verminderte Hunger-Sattheits-Gefühl tatsächlich zu spontanen Heißhungerattacken und Fressanfällen.

Die Folge: Massive Angst vor dem Dickwerden und weitere Einschränkung des Essverhaltens. Nicht wenige Essgestörte setzen zusätzliche Maßnahmen wie Erbrechen, Abführmittel usw. ein, um weiter abzunehmen. Die körperlichen Mangelerscheinungen werden stärker, der Teufelskreis schließt sich. Dazu kommen Belohnungseffekte, sowohl für das restriktive Essen (Erfolg und Kontrolle erleben, Anerkennung), also auch für die Fressanfälle (sie lenken ab von Stress, sie beruhigen und erleichtern für kurze Zeit, vor allem wenn anschließend alles erbrochen werden kann...). (Quelle:https://www.c-d-k.de)