Ein Tag in der Krankheit

06.07.2013 09:18

Meine Tage sahen eigentlich immer gleich aus; in der Früh um halb fünf bin ich aufgestanden und 30 Minuten joggen gegangen. Danach habe ich mich gewaschen und für die Schule fertig gemacht. Noch bevor meine Schwester Antonia aufgestanden ist habe ich den Tisch gedeckt und habe meinen Teller so „dekoriert“, dass es aussah, als hätte ich ein Brot mit Marmelade und eine Schüssel Müsli gegessen.

Dann habe ich meine Schwester geweckt und während sie gefrühstückt hat, habe ich noch ein paar Sit-ups gemacht. Offiziell habe ich noch ein bisschen gelernt…

In der Schule habe ich meine Brotzeit noch vor Schulbeginn auf der Toilette weggeworfen oder zum Teil habe ich auch einfach keine mitgenommen.

Meine Freunde wollten mir in der Pause immer Geld geben, damit ich mir etwas beim Pausenverkauf kaufte, aber das wollte ich nicht und habe es auch nicht getan. Wenn sie zu viel gedrängt haben, habe ich sie einfach angemault, sie sollen mich in Ruhe lassen und bin gegangen.

Da mein Vater uns immer für das Mittagessen in der Schule Essensbons gekauft hat, die ich abgestempelt zurückbringen musste, habe ich mir eine Salat gekauft und ihn dann unberührt weggeschmissen. Meinen Freunden habe ich gesagt, dass ich mit Antonia zu Mittag esse und Antonia habe ich gesagt, dass ich mit meinen Freunden zu Mittag esse.

Als ich von der Schule nach Hause gekommen bin habe ich ganz schnell meine Hausaufgaben gemacht und bin dann noch mal 30 Minuten joggen gegangen, oder auf unseren Crosstrainer unten im Keller. Das habe ich natürlich gemacht, bevor Antonia nach Hause gekommen ist. Meine Mutter war zu dieser zeit in einer Klinik und mein Vater war bis abends um ca. acht in der Arbeit.

Wenn er nach Hause gekommen ist, war ich entweder schon im Bett und habe, als er mich zum essen holen wollte behauptet, dass ich schon gegessen hätte und total müde sei. Andere Ausreden waren auch: „Ich hätte am nächsten Tag eine Test in der Schule und müsse früh ins Bett“ oder „Mir sei so schlecht vom Mittagessen“

Damit meine Familie nicht merkte, dass ich nie in der Schule aß, holte ich mir den Speiseplan aus dem Internet, um zu wissen, was es wann zu essen gab.

Als dann mein Vater und Antonia zusammen zu Abend aßen, habe ich noch im Bett ein paar Dehnübungen gemacht. Natürlich konnte ich nicht jeden Abend zu meinem Vater irgendetwas sagen, um nicht zu essen; also habe ich an zwei bis drei Tagen in der Woche doch zu Abend gegessen. An diesen Tagen habe ich dafür gesorgt, dass ich das essen zubereite und habe immer nur Salat mit Brot gemacht. Um ja nicht zu viel zu bekommen habe ich das essen immer schon auf die Teller verteilt und erst danach bei meinem Vater und meiner Schwester Öl und Essig drauf getan. Da mein Diätbuch es strengstens verbot am Abend Kohlenhydrate zu sich zu nehmen, habe ich mir immer einen Morgenmantel angezogen und in den übergroßen Taschen von diesem das Brot verschwinden lassen.

Wenn es zu hause Kuchen gab, habe ich mir ein Stück abgeschnitten und es in der Schule dann weggeschmissen; dann sah es so aus, als ob ich ihn gegessen hätte.

Von all dem merkten meine Freunde und meine Familie lange erst mal nichts…